Warum Wohnen in der Schweiz so teuer ist – und was wirklich dahintersteckt
Wer in Zürich eine Wohnung sucht, braucht entweder Glück, Vitamin B – oder eine zweite Hypothek für die Miete. Die Inserate wirken manchmal wie Satire: Zwei Zimmer, 60 Quadratmeter, Balkon mit Aussicht auf die Mülltonnen – für schlappe 2’500 Franken. Willkommen auf dem Schweizer Wohnungsmarkt.
Hohe Mieten sind längst kein Randphänomen mehr, sondern Alltag. Doch die Frage ist: Warum eigentlich? Liegt es an zu wenig Bauland, an der angeblich unstillbaren Nachfrage – oder ist das Problem tiefer im System verankert?
Die Austrian School of Economics liefert eine unbequeme Antwort: Die hohen Mieten sind nicht Ausdruck eines „Marktversagens“, sondern die Folge von Eingriffen in den Markt. Mit anderen Worten: Ohne staatliche Zinspolitik, Raumplanung und Mietregeln wäre Wohnen günstiger. Eine steile These – die sich mit einem Blick auf die Fakten erstaunlich gut stützen lässt.
Der Elefant im Raum: die Geldpolitik der SNB
Beginnen wir bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Ihre Aufgabe: Preisstabilität sichern und gleichzeitig verhindern, dass der Franken als „sicherer Hafen“ völlig durch die Decke schiesst. Ihre Lösung: Zinsen auf Talfahrt schicken.
Von 2015 bis 2022 lebten wir in einer Welt der Negativzinsen – bis zu –0,75%. Heute, nach mehreren Senkungen im Jahr 2025, liegt der Leitzins wieder bei 0 %. Klingt unspektakulär, ist aber historisch: Noch nie war Kapital über so lange Zeit so billig.
Die Folge: Hypotheken kosteten fast nichts. Wer Geld hatte, investierte es nicht in Anleihen oder klassische Sparprodukte, sondern in Immobilien. Eigentumswohnungen stiegen allein 2024/25 um 4,4 %, Einfamilienhäuser um 4,7 %. Grund und Boden wurden zur Lieblingsanlage für institutionelle Investoren und Private.
Die Austrian School spricht hier von einer Fehlallokation. Billiges Geld treibt Investitionen in Betongold, nicht in produktive Unternehmungen. Und sobald die Zinsen steigen, bricht die Logik: Neubauten werden unattraktiv, obwohl Wohnungen gebraucht würden. Kurz gesagt: Die SNB wollte die Exportwirtschaft retten – und hat dabei den Wohnungsmarkt überhitzt.
„Zu wenig Bauland“ – ein bequemes Märchen
Das Standardargument lautet: „Wir haben schlicht zu wenig Bauland.“ Stimmt – aber nur zur Hälfte.
Die Bauzonenfläche beträgt in der Schweiz rund 230’000 Hektaren und stagniert seit Jahren. Nicht, weil die Alpen plötzlich verschwunden wären, sondern weil die Raumplanungspolitik es so will. Kulturlandschutz, Zersiedelungsstopp und kommunale Zonenvorschriften halten die Fläche künstlich knapp.
Hinzu kommen Einsprachen, teure Bauauflagen, Energiestandards. Das alles bremst Projekte und verteuert sie. So wird der Eindruck geschaffen, Bauland sei von Natur aus knapp. Doch die Austrian School sagt: Die Knappheit ist politisch erzeugt.
Die Ironie: Selbst wenn Bauland vorhanden ist, wird es durch die SNB-Politik so teuer, dass sich nur noch Luxusprojekte lohnen. Das Problem ist also nicht, dass es „zu wenig Land“ gibt – sondern dass wir das vorhandene Land künstlich verteuern und verknappen.
Regulierung: gut gemeint, schlecht gewirkt
Auch das Mietrecht spielt eine Rolle. Besonders der Referenzzinssatz, an den Mietanpassungen gekoppelt sind. Er schützt zwar Mieter kurzfristig, sorgt aber langfristig für Unsicherheit bei Investoren.
Stell dir vor, du planst ein Wohnprojekt über 30 Jahre – und weisst nicht, ob du die Mieten künftig nach Kostenlage anpassen darfst. Klingt wenig attraktiv, oder? Genau deshalb wird weniger gebaut, als nötig wäre.
Dazu kommen Bauvorschriften, langwierige Bewilligungsverfahren und politische Debatten um Quartiercharaktere. Am Ende dauert es Jahre, bis eine Baubewilligung vorliegt – und kostet entsprechend mehr. Neubauwohnungen, die tatsächlich entstehen, beginnen dann bei 2’800 bis 3’000 Franken Monatsmiete. Günstiger Wohnraum? Fehlanzeige.
Ein Blick nach Zürich: zwei Stockwerke, die alles ändern könnten
Zürich ist das Paradebeispiel für den angespannten Markt. Die Leerstandsquote liegt bei 0,22 % – praktisch null. Die Stadt wächst, Bauland ist begrenzt, die Preise steigen. Und doch gäbe es eine erstaunlich simple Lösung: in die Höhe bauen.
Stell dir vor: In 5’000 geeigneten Gebäuden würden zwei zusätzliche Stockwerke bewilligt. Im Schnitt vier Wohnungen pro Etage – das ergibt 40’000 neue Wohnungen. Platz für rund 80’000 Menschen. Mit einem Federstrich würde Zürich Wohnraum schaffen, der fast einer Stadt wie Winterthur entspricht.
Und was bedeutet das für die Mieten? Rechnet man mit gängigen Angebots- und Nachfrageelastizitäten, dann könnte ein solches Angebot den Markt um 17 % vergrössern. Kurzfristig hiesse das: –11 % Mieten. Langfristig pendelt es sich auf –9 % ein.
Klingt traumhaft, nicht? Doch die Realität ist: Quartierbewohner wehren sich gegen Schattenwurf, Bauordnungen begrenzen Höhen, und politische Verfahren ziehen sich. Das Ergebnis: Zürich bleibt knapp, obwohl die Lösung im wahrsten Sinn des Wortes auf der Hand liegt – nach oben.
Und Genf? Basel? Agglomeration? Kein anderes Lied
Genf kennt das Problem ebenso gut: extrem niedrige Leerstände, hohe Nachfrage durch internationale Organisationen und Expats, dazu ein Markt, in dem Neubauten jahrelang blockiert werden. Die Folge: selbst kleine Apartments kosten 3’000 Franken und mehr.
Basel wiederum erlebt durch die Pharmaindustrie einen dauerhaften Nachfrageboom. Doch die Neubauquote liegt auch hier unter früheren Niveaus. Viele Projekte scheitern an Einsprachen oder Umweltauflagen.
Und in den Agglomerationen? Auch dort steigen die Preise, weil Menschen aus den Städten abwandern müssen. In Winterthur, Baden oder Lausanne ist der Effekt klar sichtbar: Je enger die Grossstadt, desto schneller ziehen die Nachbarregionen an – und die Mieten dort gleich mit.
Ob Zürich, Genf, Basel oder Agglo: Die Mechanismen sind dieselben. Nachfrage steigt, Angebot stockt, Politik bremst. Der Markt wird künstlich verknappt, während Kapital weiterhin in Immobilien strömt.
Mietentwicklung in Zahlen
Damit du die Dimensionen siehst, hier die wichtigsten Kennzahlen der letzten Zeit:
Mietanstieg 2024: +3,2 % (Homegate) bis +4,5 % (SRF) – der stärkste Anstieg seit 2005.
Durchschnittsmiete: CHF 21,70 pro m², in Zürich und Genf oft weit über 25.
Neubautätigkeit: 2024 nur rund 41’000 Einheiten – 11 % weniger als im Vorjahr.
Leerstand: landesweit 1,08 %, in Zürich praktisch null.
Die Botschaft: Nachfrage steigt, Angebot stagniert. Ein perfektes Rezept für steigende Mieten.
Austrian-School-Rezepte: einfach, aber unpopulär
Die Lösungsvorschläge aus Wien sind radikal simpel – und politisch Sprengstoff:
Zins dem Markt überlassen: Kein Drücken der SNB, auch wenn der Franken stärker würde.
Preise frei geben: Keine Mietzinsbremsen, kein Referenzzins.
Regeln abbauen: Schnellere Verfahren, lockere Bauauflagen, flexiblere Höhenlimits.
Marktkräfte wirken lassen: Angebot und Nachfrage finden ihr Gleichgewicht.
Das klingt nach neoliberaler Wunschliste – aber die Logik ist stringent. Wenn du künstliche Schranken wegnimmst, reagiert der Markt mit mehr Angebot. Die Mieten würden nicht durch Subventionen sinken, sondern weil tatsächlich mehr Wohnungen vorhanden sind.
Fazit: ein hausgemachtes Problem
Die Schweiz steckt in einem Dilemma:
Die SNB will den Franken schwach halten und überhitzt dabei den Wohnungsmarkt.
Die Politik will Kulturland schützen und Quartiere bewahren, verhindert damit aber dringend nötige Verdichtung.
Das Resultat sind Mieten, die nicht wegen Naturgesetzen hoch sind, sondern weil wir das System so gebaut haben.
Die Austrian School würde sagen: «Das Problem sind nicht die Mauern Deiner Wohnung, sondern die Mauern aus Regulierung und billigem Geld.»
Also ja – du zahlst nicht einfach für 60 Quadratmeter und einen Balkon. Du zahlst für die SNB, die Raumplanung, die Bauvorschriften und das politische Theater drumherum. Oder um es ironisch zuzuspitzen: Du wohnst nicht zu teuer – du wohnst im Resultat der Schweizer Politik.
Und wenn du das nächste Mal durch die Wohnungsinserate scrollst und dich über absurde Preise wunderst, denk daran: Es sind nicht die Alpen, die im Weg stehen – es sind die Regeln, die wir uns selbst gesetzt haben.